Berlin, 13. Juli 2023 – Anlässlich der Vorstellung des 2. Gesamtberichts des Beirats weisen die Familienorganisationen auf das große Engagement der Familien bei der Versorgung von pflegebedürftigen Angehörigen hin. In ihrer Stellungnahme betonen sie die hohe Bedeutung einer Einführung der im Bericht vorgeschlagenen 36-monatigen Familienpflegezeit mit einem angemessenen monetären Ausgleich sowie den weiteren Ausbau der professionellen pflegerischen Versorgungsstrukturen. Beides seien Voraussetzungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und wären ein großer Schritt in Richtung Anerkennung der pflegerischen Leistungen von Familien.
„Die Pflege in der Familie ist für viele Familien eine Frage der Solidarität und wird gern und freiwillig übernommen. Aber sie ist häufig sehr zeitaufwändig und körperlich und psychisch belastend. Sind die Pflegenden erwerbstätig, führt dies zwangsläufig zu Konflikten mit der Erwerbsarbeit“ stellt Dr. Klaus Zeh, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen (AGF) fest und betont, dass die bisherigen Regelungen dafür ihre Ziele verfehlen: „Bislang gibt es mit der Pflegezeit und Familienpflegezeit nur unzureichende Möglichkeiten. Insbesondere das zinslose Darlehen zeigt keine ausreichenden Entlastungseffekte, ist nicht praktikabel und wird daher kaum in Anspruch genommen. Eine sozial ausgestaltete, finanziell unterfütterte Familienpflegezeit ist daher der richtige Weg.“
Die Verbände betonen, dass selbst die Einführung einer 36-monatigen Familienpflegezeit mit einem angemessenen monetären Ausgleich für die erforderliche Entlastung nur einen Teil beitrage. Daneben brauche es auch den Ausbau und die Verbesserung der professionellen pflegerischen Versorgungsstrukturen zur Entlastung der Familien.
Die Familienorganisationen weisen darauf hin, dass ca. 84 % der knapp fünf Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland in häuslicher Umgebung leben. Über die Hälfte (2,55 Millionen) wird ausschließlich informell durch Angehörige gepflegt, wovon die meisten Frauen sind. Weitere 1,05 Millionen Pflegebedürftige werden in ihren Haushalten vollständig oder teilweise durch ambulante Pflege- und Betreuungsdienste versorgt. Auch bei den Pflegebedürftigen, die professionelle Unterstützung erhalten, leisten die Familien einen großen Beitrag zur Pflege ihrer Angehörigen. Die Hauptpflegepersonen reduzieren häufig ihre Arbeitszeit oder scheiden ganz aus dem Erwerbsverhältnis aus. Die direkten und indirekten Kosten für diesen Umgang mit ihrem Vereinbarkeitsproblem sind allerdings enorm hoch. In der Folge sinken die Familieneinkommen und die pflegenden Angehörigen müssen langfristig mit niedrigeren Löhnen (bei einem eventuellen Wiedereinstieg in den Beruf) und niedrigeren Rentenbezügen rechnen.
„Die Politik erhält mit dem aktuellen Bericht eine Blaupause, die von der Bundesregierung nur aufgegriffen werden muss. Dies ist nicht nur aus Sicht der Familien notwendig, sondern auch eine gesellschaftliche Investition: Angesichts der demografischen Entwicklung und dem Fachkräftemangel würde das Pflegesystem ohne die weitgehende Übernahme der häuslichen Pflege zusammenbrechen. Aber auch der Ausstieg der pflegenden Angehörigen aus dem Beruf hätte weitreichende negative Folgen. Beides ergäbe eine ungeheure Belastung für den Staat und die Wirtschaft“, betont Sven Iversen, AGF-Geschäftsführer.