zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung „Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von Familien und haushaltsnahen Dienstleistungen (Familienleistungsgesetz – FamLeistG)“ vom 7. November 2008, BT Drucks. 16/10809
I. Allgemeine Erwägungen
Der Familienbund begrüßt das Anliegen des Entwurfs, den Familienleistungsausgleich im Interesse einer nachhaltigen Familienpolitik deutlich zu verbessern. Positiv wird die Haltung der Bundesregierung aufgenommen, dass der Förderung von Familien höchste Priorität einzuräumen ist. In Übereinstimmung mit dem Entwurf betrachtet der Familienbund Investitionen in Familien als Investitionen in die Zukunft.
Zur Gründung und Unterhaltung einer Familie bedarf es einer ausreichenden wirtschaftlichen Basis. Zunächst sind und bleiben die Eltern dafür verantwortlich. Allerdings bleibt in unserem Wirtschaftssystem unberücksichtigt, ob das erzielte Einkommen für eine Person oder für einen Haushalt mit mehreren Kindern reichen muss. Im Vergleich mit Kinderlosen innerhalb der gleichen Einkommensstufe führt dies zu einer klaren Benachteiligung von Familien. Steuerrechtliche Regelungen und sozialstaatliche Leistungen gleichen diese Benachteiligungen allenfalls teilweise aus. Ein gerechter Familienleistungsausgleich muss die Leistung und Verdienste von Familien anerkennen. Denn Familien sichern nicht nur den Fortbestand des Gemeinwesens, sie entlasten den Staat durch die in der Familie gelebte Solidarität. Familien legen mit der Erziehung der Kinder den Grundstein zur Entfaltung verantwortungsvoller Menschen, die unser Land in Zukunft tragen. Familien sind damit die unverzichtbaren Leistungsträger unserer Gesellschaft.
Der Familienbund der Katholiken bewertet den Gesetzesentwurf im Hinblick auf die Förderung und steuerliche Entlastung von Familien als einen überfälligen allerdings bei Weitem nicht hinreichenden Schritt hin zu einem gerechteren Familienleistungsausgleich.
Kinderfreibetrag und Kindergeld wurden seit 2002 nicht mehr erhöht. Die im Entwurf vorgesehenen Steigerungen reichen nicht aus, um Familien ansatzweise einen Inflationsausgleich für diesen Zeitraum zu gewähren. Familien müssen einen überdurchschnittlich hohen Anteil ihrer Einnahmen in den Konsum investieren. Sie waren daher von den erheblichen Preissteigerungen der vergangenen Jahre insbesondere bei Lebensmitteln, Strom und Heizkosten besonders betroffen. Die Kürzungen bei Pendlerpauschale und Eigenheimzulage mussten Familien ebenso verkraften wie kontinuierlich sinkende Nettolöhne. Eine deutlich höhere Anhebung von Kinderfreibetrag und Kindergeld als im Entwurf vorgesehen ist folglich dringend geboten.
Der Familienbund hat eigene Berechnungen zur Höhe des Kinderexistenzminimums angestellt. Die Ergebnisse übersteigen deutlich die Beträge des Kinderexistenzminimums im Rahmen des 7. Existenzminimumberichts der Bundesregierung, der am 19. November 2008 vorgestellt wurde. Der Bericht des Familienbundes sowie der Vergleich mit den Ergebnissen des Existenzminimumberichts der Bundesregierung sind im Anhang zu finden. (PDF als Download)
II. Zu den Regelungen im Einzelnen
Artikel 1 (Änderung des Einkommensteuergesetzes)
Nr. 10 (§ 32 Abs. 6 S. 1 EStG n.F.)
Der Familienbund begrüßt die Berücksichtigung des für das Jahr 2010 steuerfrei zu stellenden Existenzminimums für Kinder bereits beim Kinderfreibetrag für das Jahr 2009. Damit trägt die Bundesregierung ihrer im Vorfeld geäußerten Absicht Rechnung, bei der Erhöhung für das Jahr 2009 den 7. Existenzminimumbericht zugrunde zu legen.
Allerdings fällt die Erhöhung bei Weitem zu gering aus. Laut Entwurf soll das sächliche Existenzminimum von derzeit 1.824 Euro um 96 Euro auf 1.920 Euro steigen. Bei gemeinsamer Veranlagung zur Einkommenssteuer bedeutet dies eine Anhebung von derzeit 3.648 Euro um 192 Euro auf 3.840 Euro. Bei Zugrundelegung des von der Bundesregierung am 19. November 2008 vorgestellten 7. Existenzminimumberichts käme es zu einer Anhebung um 216 Euro auf 3.864 Euro.
Aus Sicht des Familienbundes wird das Kinderexistenzminimum im 7. Existenzminimumbericht nicht realitätsgerecht dargestellt. Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen klar gestellt, dass das steuerliche Existenzminimum für alle Steuerpflichtigen in voller Höhe von der Einkommensteuer freizustellen ist. Hintergrund ist, dass dem Steuerzahler von seinem Erworbenen zumindest soviel verbleiben muss, wie er zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhaltes seiner Person bzw. seiner Familie bedarf, damit eine Abhängigkeit von Sozialtransfers gerade nicht eintritt.
Die Bundesregierung ist dieser Vorgabe bislang nur unzureichend nachgekommen. Nachfolgende Beispiele verdeutlichen die Mängel des 7. Existenzminimumberichts, die überwiegend auch schon im 6. Existenzminimumbericht angelegt waren:
- Bei der Bemessung des Regelbedarfs werden Kinder nur bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres einbezogen, obwohl auch 18jährige und ältere Kinder von ihren Eltern unterhalten werden müssen, solange sie wirtschaftlich nicht auf eigenen Beinen stehen. Das entspricht auch der Konzeption des Einkommensteuerrechts, wonach Kinder in Berufsausbildung bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres beim Kinderfreibetrag zu berücksichtigen sind. Werden über 18-jährige Kinder berücksichtigt, steigt der durchschnittliche Regelbedarf, da die zugrunde liegenden sozialhilferechtlichen Regelsätze für ältere Kinder höher eingestellt sind als für jüngere Kinder.
- Bei der Ermittlung der anteiligen Wohnkosten werden die beiden höchsten Mietenstufen V und VI, die immerhin für 20% der Wohngeldbezieher in den alten Bundesländern gelten, ausgeklammert. Familien in Hamburg, Köln, Stuttgart und vielen anderen Ballungsgebieten fallen somit aus der Berechnung heraus. Stattdessen werden sie entgegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf Wohngeldtransfer verwiesen.
- Die Heizkosten werden zu niedrig angesetzt. Sie entsprechen nicht den Befunden des Statistischen Bundesamtes. Den Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamtes für Erdgas zugrunde gelegt, ist von einer jährlichen Steigerung weit über den 8,2% des 7. Existenzminimumberichts der Bundesregierung auszugehen. Der durchschnittliche jährliche Preisanstieg bei Erdgas hat im Zeitraum der letzten sechs Jahre 10,3% betragen.
- Der Platzbedarf für Kinder wird mit 12 m² zu niedrig festgelegt. Laut Statistik ist von mindestens 15 m² je Kind auszugehen. Über die Hälfte aller Familien sind Ein-Kind-Familien. Für diese Familien ist anerkannt, dass der Platzbedarf bei 15 m² liegt. Im Übrigen sind die Erhebungen für den Wohnflächenbedarf eines Kindes aus dem Jahr 1988 angesichts steigender Wohnungsgrößen nicht mehr realitätsgerecht.
Der Familienbund hat eigene Berechnungen erstellt, die sich an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts orientieren und Kostensteigerungen in tatsächlichem Umfang berücksichtigen (Einzelheiten im Anhang).
Danach muss das sächliche Kinderexistenzminimum von derzeit 3.648 Euro um 660 Euro auf 4.308 Euro erhöht werden. Angesichts gestiegener Bildungskosten sowie gestiegener Opportunitätskosten im Falle eines Erwerbsverzichts bedarf es einer Anhebung des Bedarfs für Betreuung und Erziehung bzw. Ausbildung von 2.160 Euro auf 2.521 Euro. Damit muss der Freibetrag insgesamt von aktuell 5.808 Euro um 1.021 Euro auf 6.829 Euro ansteigen. Das entspricht einer Steigerung von etwa 18 Prozent.
Langfristig hält der Familienbund einen Kinderfreibetrag in Höhe von 8.000 Euro für notwendig. Nur dann kann von einem über das verfassungsrechtlich vorgegebene Mindestmaß hinausgehenden angemessenen Familienleistungsausgleich gesprochen werden.
Nr. 18 (§ 66 Abs. 1 EStG n.F.)
Der Familienbund kritisiert die geplante Kindergelderhöhung um 10 Euro für erste und zweite Kinder sowie um 16 Euro für weitere Kinder als unzureichend. Gefordert wird eine Erhöhung in dem Verhältnis, in dem der Kinderfreibetrag unter konsequenter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben steigen müsste. Damit ist eine Steigerung um 18 Prozent auch beim Kindergeld dringend angezeigt. Ansonsten würde der Anteil am Kindergeld, der eine echte Förderung von Familien ist, weiter abnehmen. Schon jetzt ist über die Hälfte der staatlichen Kindergeldzahlungen ausschließlich die Rückzahlung zuviel erhobener Lohnsteuern. Der Bundestag hat in einer Entschließung (BT Drucks. 13/1558) in zutreffender Weise festgestellt, dass das Kindergeld entsprechend zu erhöhen ist, wenn der Kinderfreibetrag angehoben wird.
Für die ersten bis dritten Kinder ist damit eine Erhöhung um 28 Euro auf 182 Euro monatlich, ab dem vierten Kind eine Erhöhung um 32 Euro auf 211 Euro monatlich unumgänglich.
Im Interesse eines angemessenen Familienleistungsausgleichs hält der Familienbund langfristig eine Erhöhung des Kindergeldes auf 300 Euro für alle Kinder für notwendig.
Art. 3 (Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch)
Nr. 2 (§ 24a SGB II n.F.)
Der Familienbund begrüßt die Einführung eines gesonderten Schulbedarfs für hilfebedürftige Kinder nach dem SGB II und SGB XII als positiven Ansatz. Damit wird ein erster Schritt getan hin zu einer Berücksichtigung des kinderspezifischen Bedarfs im Rahmen der Bemessung der Regelleistungen. Dringend notwendig ist eine eigenständige Bemessung der Regelsätze für Kinder, die sich an deren spezifischem Bedarf zu orientieren haben.
Art. 4 (Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch)
Nr. 3 (§ 28a SGB XII n.F.)
Auf die Ausführungen zu Art. 3 wird verwiesen.
Berlin, den 20.11.2008
Für den Familienbund der Katholiken
Reinhard Loos, Markus Faßhauer