Stellungnahme des Familienbundes der Katholiken

· Stellungnahmen

zum Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege (Kinderförderungsgesetz-KiföG) vom 07. März 2008 des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

 

I. Allgemeine Erwägungen

Der Familienbund der Katholiken unterstützt das Anliegen des Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege, die Rahmenbedingungen für das Aufwachsen von Kindern und für die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsleben zu verbessern, als einen wichtigen Baustein zur Stärkung der Wahlfreiheit junger Eltern. Mit der Gründung einer Familie übernehmen die Mutter und der Vater die elterliche Verantwortung für ihr Kind. Diese Verantwortung kann auf unterschiedliche Weise wahrgenommen werden.  Wünsche und Bedürfnisse junger Eltern hinsichtlich der Aufteilung von Aufgaben in der Familie und im Erwerbsleben sind stark ausdifferenziert. Deshalb sind Rahmenbedingungen notwendig, welche die Wahlfreiheit umfassend stärken und fördern.
Der Entwurf enthält einige richtige Ansätze zum Ausbau und zur Sicherung der Optionenvielfalt von Familien. In diesem Sinne sind der Ausbau der Betreuung für Kinder unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege verbunden mit einem Rechtsanspruch ab 2013 im Grundsatz ebenso positiv zu bewerten wie die grundlegende Weichenstellung für die Einführung eines Betreuungsgeldes. Eingefordert wird jedoch eine konsequentere Ausrichtung der Maßnahmen am Wohl des Kindes. Insoweit stößt im Bereich der Tageseinrichtungen die einseitige Orientierung am quantitativen Ausbau auf erhebliche Bedenken. Parallel notwendig ist eine wesentliche Verbesserung der Qualitätsstandards, die sich auch in der Bereitstellung der finanziellen Mittel für den Ausbau abbilden muss. Die Befugnis an den Landesgesetzgeber, Formen der Tagespflege mit mehr als fünf gleichzeitig anwesenden Kindern je Betreuungsperson zuzulassen, sowie Möglichkeiten der Förderung nicht gemeinnütziger Träger von Tageseinrichtungen unmittelbar durch Bundesrecht bergen Risiken für Qualitätseinbußen in sich und werden daher dem Kindeswohl nicht gerecht. Im Interesse einer echten Wahlfreiheit für junge Eltern wird die sofortige verbindliche Einführung eines Betreuungsgeldes gefordert, welches im zweiten und dritten Lebensjahr an alle Elternhäuser ausgezahlt wird.

 

II. Zu den Regelungen im Einzelnen

Zu 2. (§ 16 SGB VIII n.F.)
Der Familienbund begrüßt die grundlegende Weichenstellung für die Einführung eines Betreuungsgeldes im zweiten und dritten Lebensjahr des Kindes. Als Anschlussleistung an das Elterngeld flankiert das Betreuungsgeld wirtschaftlich den verbleibenden Zeitraum der Elternzeit und fördert somit die Wahlfreiheit junger Eltern auch über das erste Lebensjahr ihres Kindes hinaus. Allerdings besteht für eine verbindliche Regelung mit sofortiger Wirkung zum Inkrafttreten des Entwurfs dringender Handlungsbedarf. Mit der im Vergleich zum Bundeserziehungsgeld von 24 Monaten auf 12 bzw. 14 Monate verkürzten Bezugsdauer des Elterngeldes ist eine erhebliche Lücke im familienpolitischen Leistungssystem entstanden. Über 50% der Eltern stehen sich schlechter als vor der bis zum 31.12.2006 geltenden Rechtslage. Zu den Verlierern gehören vor allem Eltern mit keinem oder nur geringem Erwerbseinkommen sowie Mehrkindfamilien.
Der Familienbund fordert eine Anschlussleistung an das Elterngeld in Höhe von 300 € monatlich, die im zweiten und dritten Lebensjahr an alle Elternhäuser ausgezahlt wird.
Eltern sind nicht nur im ersten Jahr nach der Geburt ihres Kindes auf eine finanzielle Unterstützung besonders angewiesen. Lassen sie ihr Kind in einer Einrichtung oder in Tagespflege betreuen, entstehen ihnen Betreuungskosten. Entscheiden sie sich für eine Betreuung zu Hause, fallen durch den Verzicht auf Erwerbsarbeit Opportunitätskosten in erheblichem Ausmaß an. Demgemäß setzt sich der Familienbund für ein Betreuungsgeld ein, welches allen Familien unabhängig von der gewählten Betreuungsform und unabhängig von einer eventuell ausgeübten Erwerbstätigkeit zugute kommen soll. Einen Betrag von € 300 monatlich halten wir für angemessen, da er dem Sockelbetrag des Elterngeldes entspricht. 

Zu 5. (§ 23 SGB VIII n.F.)
Der Familienbund unterstützt die Bemühungen, die Kindertagespflege durch angemessene, der Qualifikation entsprechende Honorierung der Tagespflegepersonen qualitativ zu verbessern. Eltern und Kinder benötigen aufgrund ihrer unterschiedlichen Lebenssituationen und Bedürfnisse neben der Bereitstellung neuer Plätze in Tageseinrichtungen vor allem auch ein qualitativ hochwertiges Angebot und Personal im Bereich der Kindertagespflege. Nur durch eine der Qualifikation entsprechende Entlohnung kann geeignetes Personal für diese verantwortungsvolle Aufgabe gefunden werden.

Zu 7. (§ 24 SGB VIII n.F., ab 01.08.2013)
Grundsätzlich begrüßt wird der Ausbau der Kindertagesbetreuung für Kinder unter drei Jahren, der zum 01.08.2013 in einen Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr mündet. Der Ausbau der Betreuungsinfrastruktur ist ein wichtiger Beitrag für die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsleben und stärkt nachhaltig die Wahlfreiheit junger Eltern. Zugleich bleibt der Staat gehalten, kein Leitbild zu verankern, welches die Berufstätigkeit beider Elternteile zur Norm erhebt. Notwendig ist die Schaffung eines bedarfsgerechten Angebotes, welches den vielfältigen Wünschen und Bedürfnissen junger Eltern gerecht wird. Eine Lenkung und Steuerung elterlicher Aufgabenwahrnehmung ist jedoch abzulehnen. Damit bleibt dem Staat die Aufgabe, günstige wirtschaftliche und infrastrukturelle Rahmenbedingungen für alle Modelle der Ausübung elterlicher Erziehungsverantwortung bereitzustellen und auszubauen.

Der Familienbund fordert im Interesse des Kindeswohls das Einhergehen des quantitativen Ausbaus mit einer deutlichen qualitativen Verbesserung der Betreuung für Kinder unter drei Jahren. Den Finanzierungszusagen von Bund, Ländern und Kommunen sind im Bereich der Tageseinrichtungen die derzeit unzureichenden Qualitätsmaßstäbe zugrunde gelegt. Dringend notwendig sind die finanzielle und personelle Absicherung eines Betreuungsschlüssels von 1 zu 4 sowie eine bessere Entlohnung und Ausbildung des Erziehungspersonals. Im äußerst sensiblen Bereich der frühkindlichen Betreuung ist ein Bereitstellen finanzieller Mittel ausschließlich für den quantitativen Ausbau der Tageseinrichtungen im Hinblick auf das Kindeswohl und die elterliche Akzeptanz dieser Betreuungsform als fahrlässig zu bewerten.

Die lediglich objektiv-rechtliche Verpflichtung zur Vorhaltung von Plätzen für schulpflichtige Kinder gemäß § 24 Abs. 4 SGB VIII n.F. steht im Wertungswiderspruch zur Formulierung von Rechtsansprüchen für Kinder bis zum Schuleintritt in § 24 Abs. 2 SGB VIII und § 24 Abs. 3 SGB VIII. Das Interesse an einem bedarfsgerechten Angebot, welches durch einen Rechtsanspruch forciert wird, ist für Eltern schulpflichtiger Kinder in gleicher Weise gegeben.

Zu 8. (§ 24a SGB VIII n.F.)
Auf ein wahrscheinlich redaktionelles Versehen in § 24a Abs. 3 SGB VIII n.F. wird hingewiesen. Sollen die Varianten der Nr. 1 und der Nr. 2 in einem Alternativverhältnis stehen, muss es statt „… ; 2. deren Wohl…“ heißen „…oder 2. deren Wohl…“. In der aktuellen Fassung stehen die Varianten in einem Kumulativverhältnis zueinander.

Zu 12. (§ 43 SGB VIII n.F.)
Der Familienbund kritisiert die Neuregelung in § 43 Abs. 3 S. 2 SGB VIII n.F., wonach die Länder die Kompetenz erhalten sollen, Tagespflege mit mehr als fünf gleichzeitig anwesenden Kindern je Betreuungsperson zu gestatten. Es besteht die Gefahr eines Verlustes des persönlichen Profils der Kindertagespflege als familiennahe Betreuungsform und der Schaffung einer „Kinderkrippe light“. Bei mehr als fünf gleichzeitig anwesenden Kindern pro Betreuungsperson handelt es sich in der Regel nicht mehr um eine individuelle sondern um eine institutionelle Betreuung. Entsprechende Betreuungsformen sollten deshalb als Kinderkrippe mit dem Erfordernis der einschlägigen Betriebserlaubnis angesehen werden.
Zudem kann sich das in der Praxis auftretende Problem verschärfen, dass Kinder aus Kostengründen von der gleichen Person vormittags in der Krippe und nachmittags lediglich im Rahmen einer Tagespflege betreut werden. Ferner lässt die Neuregelung offen, welche Anforderungen an die „besondere Qualifikation“ der Betreuungsperson gestellt werden. 

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die geltende Rechtslage eine Flexibilität zugunsten der Tagespflegepersonen in den Fällen gewährleistet, in denen Kinder nur stunden- oder tageweise betreut werden, da maßgeblich die Anzahl der gleichzeitig anwesenden Kinder ist. 

Zu 15./16. (§ 74, 74a SGB VIII n.F.)
Die im Gesetzntwurf vorgesehene Einführung einer Förderungsmöglichkeit privatgewerblicher Träger von Tageseinrichtungen unmittelbar durch Bundesrecht wird im Hinblick auf den Schutz des Kindeswohls abgelehnt. Die bisherige Regelung gibt den Bundesländern die Kompetenz, privatgewerbliche Träger zu fördern. Von dieser Kompetenz haben einige Länder (z.B. Bayern, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen) Gebrauch gemacht und zugleich die Sicherung von Qualitätskriterien festgeschrieben. Eine Regelung auf Bundesebene kann dagegen eine im Interesse des Kindeswohls umfassende Absicherung von Qualitätsstandards z.B. über verbindliche Bildungs- und Erziehungsziele nicht gewährleisten, da dem Bund gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG lediglich die konkurrierende Kompetenz für die öffentliche Fürsorge zusteht. Die Formulierung pädagogischer Standards ist davon nicht gedeckt. Folgerichtig enthält das SGB VIII in den §§ 22, 22a nur Rahmenvorgaben („Soll-Vorschriften“) für die Sicherung von Qualitätskriterien in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege.

Für eine Bundesregelung besteht ferner auch keine Notwendigkeit, da die Erfahrungen in den Ländern zeigen, dass je nach Situation und Bedarf privatgewerbliche Träger in die Förderung einbezogen werden. Die Länder kennen den Betreuungsbedarf in ihrem Gebiet und können die Gegebenheiten und Möglichkeiten der kommunalen und freigemeinnützigen Träger vor Ort am besten einschätzen. Soweit der Ausbau der Kinderbetreuung ohne privatgewerbliche Träger nicht zu bewältigen ist, ist damit über die Länder die Erreichung der Ausbauziele umfassend gewährleistet. 

Eine im Hinblick auf Qualitätsstandards unbefriedigende Regelung auf Bundesebene fördert einen Wettbewerb, der ökonomischen Interessen Vorrang vor dem Kindeswohl einräumt. Die öffentliche Verantwortung im elementaren Bereich der frühkindlichen Betreuung verbietet die Förderung einer sachlich nicht gerechtfertigten Ökonomisierung. Die in der Begründung genannte „Erreichung des Ausbauziels“ darf nicht unter Verzicht auf verbindliche qualitative Vorgaben erfolgen.

Für den Familienbund der Katholiken
Reinhard Loos
Markus Faßhauer

Berlin, 4. April 2008

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