Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) hat an die Unternehmen appelliert, die Erfahrungen der Corona-Pandemie als Impulse für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu nutzen. Die Krise sei eine immense Belastung für Eltern und Arbeitgeber, habe aber auch Raum geschaffen für unkonventionelle Lösungen und neue Ideen, sagte Giffey am Freitag bei einem digitalen Forum zum Thema. Die Ministerin warnte davor, nach der Krise wieder "in den alten Status quo" zurückzufallen. "Wir brauchen eine neue Qualität der Vereinbarkeit." Es gehe darum, diese weiterhin partnerschaftlich auszuhandeln. Anlässlich des Forums veröffentlichten mehrere Unternehmen auf Initiative des Familienministeriums eine gemeinsame Erklärung mit dem Titel "Vereinbarkeit stärkt". Darin bekennen die Unternehmen sich dazu, sich dafür einzusetzen, "dass es für Väter und Mütter und Menschen, die ihre Angehörigen pflegen, ganz selbstverständlich ist, Familie und Beruf zu vereinbaren". Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem die Deutsche Bahn, Henkel, SAP Deutschland, Stihl und Vaude Sport.
Die Grünen wollen für die Pflege von Angehörigen oder Freunden eine finanzielle Unterstützung nach dem Vorbild des Elterngeldes einführen. Die "Pflegezeit Plus" soll eine bis zu dreimonatige, bezahlte Freistellung ermöglichen und darüber hinaus eine Reduzierung der Arbeitszeit für einen Zeitraum von maximal drei Jahren finanziell abfedern. Das geht aus einem Bundestagsantrag der Grünen hervor, der dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (Samstag) vorliegt.
Das einzige bestehende gesetzliche Instrument zur finanziellen Unterstützung von Pflegenden sei faktisch unwirksam, kritisieren die Grünen in dem Antrag. Die Möglichkeit eines zinslosen Darlehens sei seit dem Jahr 2018 nur in 533 Fällen genutzt worden. Das zeige, dass dieses Darlehen am Bedarf der meisten pflegenden Angehörigen vorbei gehe. Diese unzureichende Unterstützung treffe vor allem Frauen, da sie oftmals die Hauptverantwortung in der Angehörigenpflege trügen.
Nach den Vorstellungen der Grünen sollen für die Zeit der Angehörigenpflege aus Steuermitteln in der Regel 67 Prozent des entgangenen Nettoeinkommens gezahlt werden. In den ersten drei Monaten soll eine komplette Freistellung möglich sein, danach eine Absenkung der Arbeitszeit auf bis zu 20 Wochenstunden. Die Unterstützung soll nicht nur für die Pflege von Angehörigen genutzt werden können, sondern auch für Menschen aus dem Freundeskreis oder der Nachbarschaft.
"Pflegende Angehörige müssen sich unserer Solidarität sicher sein können und auf ein Netzwerk der Unterstützung zählen können", sagte die Grünen-Pflegeexpertin Kordula Schulz-Asche. Die Grünen-Politikerin Charlotte Schneidewind-Hartnagel betonte, es sei nicht nachvollziehbar, dass Familienministerin Franziska Giffey (SPD) die bisherige Familienpflegezeit noch immer als Erfolgsmodell verkaufen wolle, obwohl die Menschen sie zurecht nicht in Anspruch nähmen. "Ein Darlehen, das Menschen in die Schuldenfalle treibt, weil sie sich um pflegebedürftige Menschen kümmern, ist nicht gerecht", sagte sie. (KNA)