Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki ruft zu einem stärkeren Engagement gegen Kinderarmut auf. In einer Kolumne für die "Rheinische Post" (Samstag) kritisierte er zugleich den bürokratischen Aufwand für arme Familien, um etwa vom sogenannten Bildungs- und Teilhabepaket zu profitieren: "Wer komplizierte Anträge ausfüllt, der kann Zuschüsse bekommen - zum Beispiel für Klassenausflüge, Mittagessen oder Schulmaterial. Für die Familien ist der Aufwand riesig." Viele Familien hätten auch Probleme, Regelungen und Texte zu verstehen, so Woelki weiter: "Und der Nutzen ist bislang gering. Familien im Hartz-IV-Bezug haben übrigens auch keinen Vorteil, wenn die Bundesregierung jetzt das Kindergeld erhöhen sollte. Denn mehr Kindergeld heißt weniger Hartz IV." Nach Schätzungen lebe etwa jedes fünfte Kind in einer armen Familie, ergänzte der Kardinal: "Die Zahl der Arbeitslosen sinkt, aber es gibt immer mehr arme Kinder bei uns - wie kann das sein?" In vielen Familien könnten sich die Kinder wenig oder gar nichts Besonderes leisten, angefangen vom Zoobesuch über Geburtstagseinladungen bis zum Handy. "Für die Kinder ist das schlimm, denn sie erleben und fühlen, dass sie nicht dazugehören." Er frage sich auch, so Woelki, wie diese Kinder unsere Gesellschaft erleben. "Warum sollten sie sich später für eine solche Gesellschaft, ihren sozialen Zusammenhalt und die Demokratie einsetzen?" Daher sei es dringend notwendig, die Bedürfnisse von Kindern und ihren Wunsch dazuzugehören, stärker zu beachten - "in Kirche und Gesellschaft. Denn sie sind unsere Zukunft!"
Die große Koalition streitet weiter über das Werbeverbot für Abtreibungen. Während die SPD für eine Streichung, mindestens aber eine Überarbeitung des entsprechenden Paragrafen 219a plädiert, spricht sich CDU-Politiker Jens Spahn für eine Beibehaltung aus. Der Bundesgesundheitsminister sagte der "Bild"-Zeitung (Dienstag): "Wir wollen, dass Frauen in einer schwierigen Konfliktsituation sich gut informieren können. Dieses Ziel ist aus meiner Sicht umfänglich ohne eine Änderung des 219a zu erreichen." Spahn ging dabei nicht explizit auf die Initiative von Frank Ulrich Montgomery ein. Der Präsident der Bundesärztekammer hatte vorgeschlagen, eine zentrale Liste von Abtreibungsärzten beim Gesundheitsministerium zu hinterlegen. Damit erführen Frauen aber "nicht aus erster Hand", welcher Arzt welche Methode durchführt, kritisierte Sönke Rix, der familienpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Deren rechtspolitischer Sprecher Johannes Fechner sagte der Zeitung: "In Beratungsstellen Ärztelisten auszulegen kann man regeln, entscheidend ist aber, die Weitergabe von Informationen über Schwangerschaftsabbrüche straffrei zu stellen." Dafür sei eine Änderung des Paragrafen notwendig. Union und SPD hatten besprochen, dass das Justizministerium einen Vorschlag zur Neuregelung vorlegen soll. Nach ihrem Parteitag vom Sonntag kündigte die SPD jetzt an, einen Gruppenantrag zur Streichung des Paragrafen zu initiieren, falls es bis zum Herbst keine Einigung gibt. Am Montag forderten mehrere Verbände in einem Brief an die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen die Abschaffung des Paragrafen. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem die Arbeiterwohlfahrt, der Verband alleinerziehender Mütter und Väter, der Humanistische Verband Deutschland, der Bundesverband pro familia sowie der Bundesverband der Mütterzentren. Der Familienbund der Katholiken hatte sich bereits in der Vergangenheit für die Beibehaltung des aktuellen Schutzkonzeptes ausgesprochen. Über das Werbeverbot wird seit Monaten diskutiert. Die Regelung untersagt "das Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen" von Abtreibungen aus finanziellem Vorteil heraus oder wenn dies in "grob anstößiger Weise" geschieht. Der Paragraf soll verhindern, dass ein Schwangerschaftsabbruch als normale ärztliche Leistung dargestellt und kommerzialisiert wird. Im Bundestag gibt es bereits drei Gesetzentwürfe von der Linken, den Grünen und der FDP. Dem Bundesrat liegt ein weiterer von einigen Bundesländern eingebrachter Entwurf vor. Linke, Grüne und der Bundesratsantrag fordern die ersatzlose Streichung des Werbeverbots; die FDP plädiert für eine Änderung. Die katholische Kirche ist für die Beibehaltung des Werbeverbots. Es stelle eine wichtige Säule des Anfang der 1990er Jahre gefundenen Kompromisses über Abtreibung dar, zu dem auch die Beratungspflicht gehöre. Zudem verbiete Paragraf 219a nur die öffentliche Information durch jene, die selbst mit Abtreibungen Geld verdienen. Informationen durch neutrale Organisationen, im persönlichen Gespräch mit dem Arzt und in Konfliktberatungsstellen seien nicht verboten. Eine Änderung sei daher nicht nötig und zudem verfassungsrechtlich bedenklich. (Familienbund der Katholiken/Sascha Nicolai/KNA)