Die geplante besondere Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz ist bei Experten auf teilweise deutliche Kritik gestoßen. In einer Bundestagsanhörung am Montag zu insgesamt drei Gesetzesvorschlägen sah der Augsburger Rechtswissenschaftler Georg Kirchhof in der Regierungsvorlage allerdings eine befriedende Wirkung für eine jahrzehntelange Debatte. Alle Fachleute würdigten ausdrücklich das Grundanliegen, die Kinderrechte auch mit Blick auf die UN-Kinderrechtskonvention zu stärken.
Der Regierungsvorschlag sieht vor, in Artikel 6 Absatz 2 des Grundgesetzes folgenden Satz einzufügen: "Die verfassungsmäßigen Rechte der Kinder einschließlich ihres Rechts auf Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten sind zu achten und zu schützen. Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen. Der verfassungsrechtliche Anspruch von Kindern auf rechtliches Gehör ist zu wahren. Die Erstverantwortung der Eltern bleibt unberührt." Damit sollen das bestehende Verhältnis zwischen Eltern, Kindern und Staat sowie der grundrechtliche Schutz des ungeborenen Lebens unangetastet bleiben.
Die Fraktion Die Linke forderte demgegenüber ein eigenständiges Kindergrundrecht, um das Kindeswohlprinzip, ein Beteiligungsrecht und das Recht auf Entwicklung einer eigenständigen Persönlichkeit unter altersgerechten Lebensbedingungen sicherzustellen. Auch die Grünen verlangten dies und betonen den Vorrang des Kindeswohls.
Der Kieler Rechtswissenschaftler Florian Becker sah wie andere Rechtswissenschaftler eine Verfassungsänderung nicht als zwingend notwendig an und sprach sich für eine Umsetzung der UN-Konvention im einfachen Recht aus. Der Frankfurter Jurist Philipp B. Donath warnte davor, dass Widersprüchlichkeiten im Regierungsentwurf sogar zu Rückschritten gegenüber geltendem Recht führen könnten. Der Vorschlag bringe etwa rechtssystematisch Kinderrechte gegen Elternrechte in Stellung, indem er das Kindergrundrecht in das Wächteramt des Staates integriere. Kirchhof verlangte die Regelung solle das "Wohl des Kindes" nicht nur "berücksichtigen", sondern "gewährleisten".
Der Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks Thomas Krüger bewertete den Regierungsentwurf als "verfassungsrechtlich überflüssig" und ungeeignet "die Stellung von Kindern in der Praxis zu verbessern". Aus Sicht des Aktionsbündnisses Kinderrechte solle er stattdessen die Grundprinzipien der UN-Konvention verankern und im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stehen. Sebastian Sedlmayr vom Deutschen Komitee des UN-Kinderhilfswerks Unicef begrüßte die Aufnahme von Kinderrechten, forderte aber diese Rechte prägnanter hervorzuheben. Die Regelung dürfe nicht hinter die Maßgaben und den Geist der UN-Konvention zurückfallen. (KNA)