Vor der Bundestagsdebatte zu vorgeburtlichen Bluttests fordert SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach einen spezialisierten Ethikrat. Dieses Gremium aus Wissenschaftlern und Ethikern solle künftig über derartige Gentests entscheiden, sagte er der "Süddeutschen Zeitung" (Mittwoch). Schließlich könne die Medizin bald immer mehr Krankheiten oder Eigenschaften des Embryos im Blut der Mutter testen. Nicht jedes Mal könne der Bundestag beraten. Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki kritisierte die Diskussion über die Bluttests. Es beunruhige ihn sehr, dass nur noch über eine Kostenübernahme durch die Kassen geredet werde, sagte der Erzbischof der Kölner "Kirchenzeitung" (Sonntag). "Viel wichtiger ist doch das, worum es eigentlich geht: Sagen wir Ja zu jedem Kind?" Er würde viel lieber darüber streiten, "ob wir es wirklich ernst meinen mit der Würde eines jeden einzelnen Menschen ungeachtet seiner Fähigkeiten, seiner Fitness, seines volkswirtschaftlichen Nutzens". Es müsse darum gehen, wie Eltern, die ein behindertes Kind bekommen, wirkungsvoll geholfen werden könne, forderte der Kardinal. Leider zeige die Praxis, dass nach Tests, die auf genetische Defekte wie das Down-Syndrom (Trisomie 21) hindeuten, etwa 90 Prozent aller Kinder abgetrieben würden. Dagegen stehe, dass die Fördermöglichkeiten für diese Kinder so gut wie nie zuvor seien und aus ihnen "liebenswerte und zum Teil auch verblüffend kreative Menschen" würden. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, warnte vor einer weiteren Normalisierung der Untersuchungsmethode. "Ich befürchte, dass die unhinterfragte Verfügbarkeit dieses vermeintlich harmlosen Instruments am Ende einer selektiven Mentalität den Weg bahnt", sagte Sternberg in Bonn. Es dürfe zudem nicht dazu kommen, dass sich Eltern rechtfertigen müssen, wenn sie diese Diagnostik, "die keinen therapeutischen Nutzen verspricht, bewusst nicht in Anspruch nehmen". Dem Argument, dass dieses Tests ungefährlicher als Fruchtwasseruntersuchungen sind, stehen laut Sternberg viel größere gesellschaftliche Kosten und Schäden gegenüber, wenn es zur "Verfestigung und Standardisierung einer selektiven Mentalität" kommt. Auch der katholische Sportverband DJK teilte Sternbergs Befürchtung. Die Wertschätzung behinderter Menschen solle in den Fokus gerückt werden, forderte Präsidentin Elsbeth Beha. Auch der Deutsche Caritasverband und seine Fachverbände Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) und Bundesverband Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP) sprachen sich entschieden gegen die Zulassung von nichtinvasiven Pränataltests (NIPT) als Regelleistung aus. Der Blick auf ein Leben mit Behinderung würde damit verändert. "Menschen mit Behinderung sind Mitglieder unserer Gesellschaft", betonte Caritas-Präsident Peter Neher. "Jeder Mensch hat grundsätzlich seine Würde und seinen Wert." Wichtig sei, Frauen und Familien in der Gestaltung ihres Lebens mit Kindern mit einer Behinderung besser zu beraten und konkret zu unterstützen.
Mehrere Organisationen haben eine sozialere Wohnungs- und Arbeitsmarktpolitik in Deutschland gefordert. Jeder dritte Betroffene sei arm trotz Arbeit, sagte das Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Annelie Buntenbach, am Mittwoch in Berlin bei einem Kongress zum Thema Armut. Der Niedriglohnsektor müsse eingedämmt werden. "Wir brauchen hier gute Arbeit, Arbeit, von der man leben kann", sagte Buntenbach. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse müssten eingedämmt und Tarifverträge ausgeweitet werden. Der Vorsitzende des Paritätischen Gesamtverbands, Rolf Rosenbrock, sagte, es gehe um die Organisation von Würde und Respekt. Bezahlbarer Wohnraum sei ein drängendes Thema. Früher habe das Dogma gegolten, dass mindestens 30 Prozent der Wohnungen in kommunalem Besitz sein müssten. Heute müssten alle roten Lampen angehen, wenn die Miete mehr als ein Viertel des Familieneinkommens ausmache, meinte Rosenbrock. Die stellvertretende Sprecherin der Nationalen Armutskonferenz, Werena Rosenke, sagte, es gebe eine unendlich lange Liste von Baustellen: vom zu geringen Hartz-IV-Satz über Kinderarmut bis zur unterschiedlichen Bezahlung von Frauen und Männern. Auch Gesundheit dürfe nicht davon abhängen, wie viel Geld jemand habe. Wohnen sei ein Grund- und Menschenrecht, erklärte Rosenke. Daran müsse sich die Politik ausrichten. In der Vergangenheit sei Wohnen dem Marktgeschehen überlassen und öffentliche Bestände seien privatisiert worden. Jedes Jahr seien rund 150.000 neue bezahlbare Wohnungen in Deutschland nötig. Auf dem von rund 30 Institutionen organisierten Armutskongress diskutieren am Mittwoch und Donnerstag rund 500 Teilnehmer über Themen wie Wohnen, Arbeitsmarktpolitik, Rente, Pflege, Gesundheit und Bildung. (Familienbund der Katholiken/Sascha Nicolai/KNA)