Die Kinderrechte werden vorerst nicht im Grundgesetz verankert. Die Fraktionen im Bundestag konnten sich trotz langer Verhandlungen nicht auf eine gemeinsame Formulierung verständigen. Ein weiterer Versuch war am Montagabend gescheitert. Viele Kinderhilfe-Verbände kritisierten das Nicht-Zustandekommen einer Einigung. Für eine Änderung des Grundgesetzes ist eine Zweidrittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat notwendig.
Ein Regierungsvorschlag hatte vorgesehen, in Artikel 6 Absatz 2 des Grundgesetzes folgenden Satz einzufügen: "Die verfassungsmäßigen Rechte der Kinder einschließlich ihres Rechts auf Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten sind zu achten und zu schützen. Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen. Der verfassungsrechtliche Anspruch von Kindern auf rechtliches Gehör ist zu wahren. Die Erstverantwortung der Eltern bleibt unberührt."
Justiz- und Familienministerin Christine Lambrecht (SPD) äußerte sich noch am Montagabend nach der abschließenden Verhandlungsrunde zutiefst enttäuscht. Union und Opposition habe der Wille zur Einigung gefehlt. Dagegen kritisierte die stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Nadine Schön (CDU) die Opposition, die weniger die Kinder als vielmehr den Wahlkampf im Blick habe.
Die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt warf unterdessen der großen Koalition vor, der vorgelegte Vorschlag entspreche nicht den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention. Der familienpolitische Sprecher der Linken, Norbert Müller, meinte, mit der von der Union forcierten Entscheidung der Koalitionsfraktionen, seine Fraktion aus den Verhandlungen auszuschließen, sei absehbar gewesen, dass es keine Mehrheit im Bundestag mehr geben werde.
Das Aktionsbündnis Kinderrechte bedauerten das Scheitern des Koalitionsvorhabens. Das sei ein "herber Dämpfer für die Kinder, Jugendlichen und Familien unseres Landes, die in den vergangenen Monaten ohnehin schon wenig Unterstützung erfahren haben", erklärte das Bündnis. Die Corona-Pandemie habe deutlich gezeigt, dass Kinderrechte bisher zu häufig übergangen würden. Mit dem Scheitern sei eine historische Chance verpasst worden. Zum Aktionsbündnis gehören das Deutsche Kinderhilfswerk, der Kinderschutzbund sowie Unicef Deutschland in Kooperation mit der Deutschen Liga für das Kind.
Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) zeigte sich ebenfalls enttäuscht. In den vergangenen Monaten seien die Kinderrechte in Deutschland massiv eingeschränkt worden. Es wäre jetzt ein starkes Zeichen gewesen, wenn die Politik sich zu den Rechten von Kindern klar bekannt und sie ins Grundgesetz aufgenommen hätte.
Der Familienbund der Katholiken begrüßte dagegen, dass die Kinderrechte nicht im Grundgesetz verankert werden. "Das geltende Verfassungsrecht schützt Kinder immer noch am besten", meinte der Präsident des Familienbundes, Ulrich Hoffmann. Auch die Katholische Elternschaft äußerte sich gegenüber katholisch.de ähnlich.
Der Familienausschuss des Bundestags hat am Mittwoch grünes Licht für die Einführung eines Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung von Grundschülern gegeben. Demnach soll der Rechtsanspruch zunächst für die erste Klassenstufe gelten und bis 2030 Jahr für Jahr bis zur vierten Klasse ausgeweitet werden. Der Bundestag will am Freitag über den Gesetzentwurf abstimmen.
Dieser sieht vor, dass die vom Bund bereitgestellten Mittel für Investitionskosten nicht nur für den Neubau, den Umbau sowie die Sanierung der kommunalen Bildungsinfrastruktur verwendet werden dürfen, sondern auch für die Ausstattung, soweit damit zusätzliche Betreuungsplätze oder räumliche Kapazitäten geschaffen werden. Zudem wird im Ganztagsfinanzierungsgesetz die Frist zum Erwerb von Anwartschaften auf die Bonusmittel um ein Jahr bis zum 31. Dezember 2022 verlängert.
Zur Realisierung des Rechtsanspruchs stellt der Bund Ländern und Kommunen Investitionshilfen in Höhe von 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Darüber hinaus soll er sich auch an den laufenden Betriebskosten beteiligen. Finanziert werden soll dies über eine Änderung der Umsatzsteuerverteilung zugunsten der Länder. So sollen im Jahr 2026 rund 100 Millionen Euro, 2027 rund 340 Millionen Euro, 2028 rund 580 Millionen Euro und 2029 rund 820 Millionen Euro an die Länder fließen. In den Folgejahren rechnet der Bund mit rund 960 Millionen Euro, die an die Länder umverteilt werden sollen. (KNA)