Familien brauchen Zeit – vor allem für- und miteinander. Zeit ist das Lebenselixier für soziale Bindungen und Zwischenmenschlichkeit. Ohne sie ist der Einsatz für Erziehung und Pflege nicht möglich. Die Realität vieler Familien ist aber geprägt von permanenter Zeitnot. Fast durchgängig müssen sie sich den Anforderungen und Taktungen der Arbeitswelt anpassen. Das Ein-Verdiener-Modell reicht laut einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung oft nicht zur Sicherung des Familienunterhaltes aus. Wenn Mütter über einen längeren Zeitraum keinen Job haben, sind die Kinder häufiger von Armut bedroht, heißt es. Das treffe vor allem auf Alleinerziehende zu. Aber auch in Paarfamilien steige das Armutsrisiko, wenn die Mutter nicht arbeite. Die Folge: Die Familienzeit wird zerrieben im Spannungsverhältnis von Arbeitswelt und Armutsgefährdung.
Das vom Bundeskabinett Mitte Juni beschlossene „Brückenteilzeitgesetz“ hätte ein Befreiungsschlag für Familien sein können. Es hätte allen Eltern einen Rechtsanspruch einräumen können, um nach verstärkter Sorge- und Erziehungsarbeit in vollem Umfang in ihren Beruf zurückzukehren, unabhängig von der Unternehmensgröße. So hätte es Eltern die Angst genommen, in der Teilzeitfalle stecken zu bleiben. Es hätte Teilzeit für alle, die überlegen, ihre Arbeitszeit zugunsten der Familie zu reduzieren, attraktiver gemacht. – Hätte! Herausgekommen ist ein Gesetzentwurf ohne familienpolitische Empathie, der nur wenigen hilft. Für viele für die der Druck zwischen Beruf und Familie täglich immer spürbarer wird, die für die Aufrechterhaltung des Generationenvertrages sorgen, ändert sich nichts.
Es ist Zeit für einen politischen Befreiungsschlag für Familien! Es ist höchste Zeit, dass die Wirtschaft endlich ernsthaft und spürbar die Lebenslagen der Familien berücksichtigt! Notwendig sind Regelungen im Erwerbsleben, die auf die Bedürfnisse von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit Sorgeverantwortung reagieren und ihnen mehr Flexibilität ermöglichen. Eltern, die für die Pflege und Erziehung von Kindern beruflich kürzertreten, dürfen nicht benachteiligt werden, wenn sie später beruflich wieder mehr arbeiten können, wollen oder – um die Familie zu unterhalten – auch müssen. Es ist allerhöchste Zeit!
Stefan Becker
Präsident des Familienbundes der Katholiken