Angesichts der Überbelastung in vielen Jugendämtern appelliert der Deutsche Städtetag an Bund und Länder, die Ausbildungskapazitäten für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter an den Fachhochschulen zu erhöhen. Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Dienstag), die Personalsituation im Bereich der Jugendhilfe sei in vielen Städten angespannt: "Dies liegt vor allem daran, dass es schwieriger wird, freie Stellen zu besetzen. In einigen Regionen gibt es einen eklatanten Fachkräftemangel." Dedy forderte außerdem Bund und Länder auf, die Kommunen bei der Finanzierung der Jugendämter stärker zu unterstützen. Die Ausgaben der Kommunen für Hilfen zur Erziehung stiegen seit Jahren "dynamisch" an: von 5,6 Milliarden Euro im Jahr 2006 auf 12,2 Milliarden Euro im Jahr 2016. In diesen zehn Jahren hätten sie sich also mehr als verdoppelt. Dedy reagierte auf eine Studie der Hochschule Koblenz zu den Allgemeinen Sozialen Diensten (ASD). Demnach gibt es dort zu wenig Personal für zu viele Fälle, zu hohen Verwaltungs- und Dokumentationsaufwand und eine unzureichende Ausstattung.
Laut der am Montag vorgestellten Studie krankt der Schutz von Kindern und Jugendlichen an einer Überforderung vieler Jugendämter. Für die Studie im Auftrag des Jugendamts Berlin-Mitte wurden in den vergangenen zwei Jahren 652 Mitarbeiter aus 175 Jugendämtern befragt. Bundesweit gibt es 563 Jugendämter, die rund eine Million hilfsbedürftige Kinder und Jugendliche betreuen. Der Studie zufolge fehlt in vielen Jugendämtern Personal. Derzeit sind demnach rund 13.400 Mitarbeiter im Allgemeinen Sozialen Dienst tätig - dem Bereich, der Kinder vor Gewalt, Verwahrlosung und Missbrauch schützen soll. Die meisten Fachkräfte betreuten 50 bis 100 Fälle, teils sogar mehr. Durch minderjährige Flüchtlinge sei die Fallzahl noch gestiegen. Notwendig seien daher etwa 16.000 zusätzliche Mitarbeiter bundesweit. Laut Studie bleibt auch für Hausbesuche zu wenig Zeit. Umgekehrt fehle in vielen Ämtern der Raum für eine geschützte Gesprächsatmosphäre. Fast zwei Drittel der Arbeitszeit werde für Fall-Dokumentation aufgewendet, nur 37 Prozent für Kontakte mit den Betroffenen. Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Kinderhilfe, Rainer Becker, sprach von "erheblichen strukturellen Defiziten". Der Bund müsse korrigierend eingreifen. Becker forderte erneut einen Bundeskinderschutzbeauftragten.
Das Werbeverbot für Abtreibungen ist am 27. Juni Thema im Bundestag. Dann wird es eine Anhörung zum Paragrafen 219a geben, wie der Rechtsausschuss des Bundestags am Dienstag beschloss. Seit Monaten gibt es eine Debatte über den Paragrafen. Anlass war die Verurteilung einer Ärztin Ende 2017 wegen unerlaubter Werbung für Schwangerschaftsabbrüche auf ihrer Internetseite. Nach Ansicht des SPD-Abgeordneten Johannes Fechner, der dem Rechtausschuss angehört, könne das wichtige Thema damit noch vor der Sommerpause mit Sachverständigen debattiert werden. Inzwischen gibt es Gesetzentwürfe von SPD, FDP, Grünen und Linken, die vorsehen, den Paragrafen 219a zu ändern oder ganz zu streichen. Die Befürworter einer Änderung kritisieren, dass der Paragraf keine umfassende Information für schwangere Frauen in Notsituationen sicherstelle und Ärzte, die eine Abtreibung durchführen, kriminalisiert würden. Union und AfD sind gegen eine Änderung und weisen auf die Beratungsstellen hin, die die Frauen umfassend informieren sollen. Falls dies derzeit nicht gewährleistet sei, müssten diese Stellen besser ausgestattet werden. Um den Koalitionsfrieden nicht zu gefährden, stellte die SPD ihren Antrag nicht zur Abstimmung. Stattdessen verständigte sich die Koalition darauf, dass das SPD-geführte Justizministerium einen eigenen Vorschlag erarbeiten soll. Fechner erklärte weiter, es gebe eine Zunahme von Strafanzeigen gegenüber Ärzten, die Abtreibungen anbieten und auf ihrer Homepage darauf hinweisen. Weiter betonte er, eine "Blockade der Reform" helfe den betroffenen Frauen nicht weiter. Je schneller deshalb der von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zugesagte Regierungsentwurf zur Beratung vorgelegt werde, umso besser. Paragraf 219a des Strafgesetzbuchs untersagt "das Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen" von Abtreibungen aus finanziellem Vorteil heraus oder wenn dies in "grob anstößiger Weise" geschieht. Er soll verhindern, dass ein Schwangerschaftsabbruch als normale ärztliche Leistung dargestellt und kommerzialisiert wird. Zusammen mit der Beratungspflicht ist er Teil des Kompromisses zur Abtreibung nach der Wiedervereinigung. Dieser wurde 1993 vom Bundesverfassungsgericht bestätigt.
Die katholische Kirche ist gegen die Streichung des Werbeverbots. Ein allgemeines Informationsdefizit, von dem oft die Rede ist, gibt es aus ihrer Sicht nicht. Befürworter des Werbeverbotes sagen, der Paragraf verbiete nur die öffentliche Information durch jene, die selbst mit Abtreibungen Geld verdienen. Informationen durch neutrale Organisationen, im persönlichen Gespräch mit dem Arzt und in Konfliktberatungsstellen seien hingegen nicht verboten. Eine Änderung des Paragrafen sei daher nicht nötig und zudem verfassungsrechtlich bedenklich. Auch der Ärztetag setzte sich dafür ein, dass Werbeverbot beizubehalten. (Familienbund der Katholiken/Sascha Nicolai/KNA)